Die Realität ist im Zweifel optional, in der Regel lästig

Dass ich nun ausgerechnet während der Coronakrise damit beginne, mich mit WordPress zu beschäftigen, um meine Webseiten in ein moderneres Gewand zu kleiden, ist tatsächlich Zufall. Aber die Tatsache, dass wir jetzt alle gehalten sind, uns vorrangig zuhause aufzuhalten, mag dabei auch hilfreich sein.

Es ist aber so, dass ich diese Aktion schon längere Zeit vorhatte und lediglich durch Krankheit und andere Ablenkungen des realen Lebens sowie Spiel und Spaß davon abgehalten worden bin. 

Jetzt hat ein Virus die Welt im Griff, alles wird heruntergefahren. Menschen sterben, die Börsenkurse brechen ein, Grenzen werden geschlossen, es gibt Mahnungen, Appelle, Ausgehverbote – wer hätte sich das vor drei Wochen vorstellen können? 

Heimsuchungen gehen tatsächlich alle Menschen gleich an, aber es ist schwer, an sie zu glauben, wenn sie über einen hereinbrechen. Es hat auf der Erde ebensoviele Pestseuchen gegeben wie Kriege. Und doch finden Pest und Krieg die Menschen immer gleich wehrlos.“ – Albert Camus

Tatsächlich verdrängt die Pandemie alle anderen Nachrichten in den Hintergrund. Selbst der permanente, irgendwo immer stattfindende Krieg und dessen Auswirkungen scheinen mit einem Mal nur noch von sekundärem Interesse zu sein. Ins Blickfeld aber gerät einmal mehr die inhärente strukturelle Schwäche der neoliberalen kapitalistischen Weltordnung, die zuletzt bereits im Zusammenhang mit der Klimakatastrophe ins Gerede gekommen ist.

Die obrigkeitlichen Maßnahmen, die offensichtliche Notwendigkeit bislang unvorstellbarer obrigkeitlicher Maßnahmen macht deutlich, dass der Markt alleine es eben nicht richten wird. Es darf aber durchaus bezweifelt werden, dass man hieraus entsprechende Konsequenzen ziehen wird, dass man Pflege- und medizinisches Personal besser bezahlen wird, die Krankenhäuser besser ausstattet und nicht länger alleine dem marktwirtschaftlichen Diktat unterstellt.

Wer aber hätte gedacht, dass es einer Seuche bedarf, um die Kinder der „Fridays For Future“-Bewegung von der Straße zu bekommen und es stellt sich die Frage, wie lange sich die jungen Menschen die Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheit, insbesondere im Frühling und Sommer, gefallen lassen werden. Immerhin befällt das Virus anscheinend hauptsächlich ältere Menschen, unter ihnen eben auch jene alten, weißen Männer, die sich seit dem vergangenen Jahr immer wieder verächtlich und durchaus auch hetzerisch gegenüber der neuen Jugendbewegung geäußert hatten. Es gibt im Internet, im Bereich der sogenannten „Sozialen Medien“ ein neues, „nihilistisches“ Schlagwort, das die Runde macht: “boomer remover” – womit das Virus gemeint ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Über den Aspekt der Einschränkung der Freizügigkeit, immerhin ein in Artikel 11 des Grundgesetzes garantiertes Grundrecht, hat sich auch Vladimir Balzer vom Deutschlandfunk Gedanken gemacht:

„Man könnte jetzt einwenden: Ist doch nur ein paar Wochen. Ja, mag sein. Aber genau dieses Durchspielen einer geschlossenen Gesellschaft ist gefährlich. Allein die Möglichkeit, dass wir dieses freie, offene Land ohne Diskussionen und spürbare Widerstände einfach so lahmlegen, dass wir Grundrechte außer Kraft setzen, dass wir Menschen denunzieren, die es wagen eine Runde im Park zu drehen, dass wir eine Zwangsgemeinschaft aufbauen – allein diese Möglichkeit ist ein Spiel mit dem Feuer. Wir zeigen damit, dass es geht: Demokratie und Freiheit abschaffen.“ – https://www.deutschlandfunkkultur.de/coronavirus-das-widerstandslose-aufgeben-der-freiheit-ist.996.de.html?dram%3Aarticle_id=472946